Information zur Gedenktafel bei der Seilbahnkurve am Kugelweg

Die heute als „Kugelweg“ bezeichnete Straße von der heutigen „Dorfstraße“ bis nach „Kapieters“ wurde im Kriegsjahr 1940 als „Güterweg Morgengabe“ konzipiert und während des Zweiten Weltkrieges durch „die Auswertung der Arbeitskraft“ serbischer Kriegsgefangener und ukrainischer Zwangsarbeiter gebaut.

 „Bei der am 3. Juli 1940 über Fraxern hereingebrochenen Wasserkatastrophe“ war die Zufahrtsstraße vom Dorf bis in die Morgengabe total zerstört worden. Dieses Unwetter war jenes Schwellenereignis, welches für die Gemeinde Fraxern Anlass war, an die Landstelle in Innsbruck einen sogenannten „Aufbauantrag“ zu stellen. Im Gau Tirol-Vorarlberg wurde nämlich pro Jahr und Kreis jeweils eine Berggemeinde neu in das Projekt „Gemeinschaftsaufbau im Bergland“ einbezogen.

 

Fraxern brachte als „Aufbaugemeinde“ schon deswegen nahezu ideale Voraussetzungen mit, ein „NS-Musterdorf“ zu werden, weil ein großer Teil der Häuser nach dem Großbrand vom 18.4.1934 neu gebaut worden war. Gut zwei Wochen nach dem oben erwähnten Hochwasserereignis argumentierte der Fraxner Bürgermeister gegenüber der Agrarbezirksbehörde, dass „durch eine zweckmäßige Anbringung dieses Güterweges“ ¾ des Gemeindegebietes zu „Vorteilsgebieten“ werden könnten, und er sprach sich auch klar darüber aus, mit wessen Hilfe er das Vorhaben zu verwirklichen plante: „Wir beabsichtigen, für dieses Unternehmen Kriegsgefangene anzufordern.“

 

Mit den Bauarbeiten am Güterweg Morgengabe wurde Mitte November 1940 begonnen. Über 30 Fraxner Männer fanden beim Straßenbau Arbeit. Die Gemeinde sagte der Agrarbezirksbehörde verbindlich zu, 20 bis 25 Mann ständig für diesen Wegebau zur Verfügung zu stellen. Weil aber immer mehr junge Männer zur Wehrmacht eingezogen wurden, drohte für dieses und auch für andere Bauvorhaben ein Arbeitskräftemangel. Zur Behebung dieses Personalmangels wurden deshalb vorerst Südtiroler Optanten (= „Südtiroler Rückwanderer“) eingestellt und in Privathäusern untergebracht. Unter diesen Optanten waren hervorragende Maurer.

 

Im April 1941 wurde schließlich die „Aufbaugenossenschaft“ offiziell gegründet, der praktisch alle Bauern als Mitglieder beitraten. Am oberen Dorfrand wurde ein Kriegsgefangenenlager zur Unterbringung von 150 Kriegsgefangenen („bei voller Belegung für 200“!) errichtet, das am 1. Juni 1941 von Gauleiter Franz Hofer persönlich inspiziert und abgenommen wurde. Am 2.7.1941 kamen 60 serbische Gefangene, am 3.7.1941 weitere 80 Serben. Bewacht wurden die Gefangenen von zwölf Soldaten der Deutschen Wehrmacht. Die „Auswertung der Arbeitskraft“ erfolgte auf vielfältige Art und Weise: im Steinbruch, beim Zurichten und beim Transport der Steine, beim Aushub des Straßenkoffers, beim Unterbau und beim Bau der Stützmauern. „Unter unfassbarer Mühsal“ sei die Arbeitsleistung der Gefangenen und Zwangsarbeiter erzwungen worden, heißt es auf der Gedenktafel: schlechtes Essen, äußerst unzulängliche Bekleidung und miserables Schuhwerk (Holzschuhe mit Stoffoberteil!) prägten den Alltag der Gefangenen und der Zwangsarbeiter.

 

Diese Kriegsgefangenen waren auch auf vielen anderen Baustellen in Fraxern im Einsatz: beim Bau neuer Häuser, bei Haus- und Stall-Umbauten, im Güter- und Waldwegebau (z. B. Vadratza-, Matons- und Rotenplattenweg, beim Bau von Drahtseilbahnen, bei Alpverbesserungen auf der Hohen Kugel und auf der Alpe Staffel). Zum tageweisen Einsatz konnten die Bauern Gefangene auch zur Mithilfe in der Landwirtschaft aus dem Gefangenenlager gegen Geld gleichsam ausborgen.

 

In der Landwirtschaft wurden ab 1941 auch „Zivilarbeiter und -arbeiterinnen polnischen Volkstums“ eingesetzt, die bei den Bauern untergebracht waren und auf der rechten Brustseite eines jeden Kleidungsstückes ein mit der Kleidung fest verbundenes Kennzeichen sichtbar zu tragen hatten. „Eine weitgehende Trennung und nach Möglichkeit Vermeidung jeglicher Berührung mit der deutschen Bevölkerung über die Notwendigkeiten der Arbeit hinaus“ wurde von den knapp 400 Gemeindebürgern verlangt. Die Teilnahme an den Gottesdiensten der örtlichen Pfarrgemeinde war auch den Polinnen und Polen untersagt.

 

Am 29. Juni 1942 wurden 30 „Zivilrussen“ (Ukrainer) aus dem „Aufbaulager Silbertal“ nach Fraxern überstellt. Diese wurden in einem Lager auf dem „Treiet“ der Alpe Staffel untergebracht und bis im Herbst für Alpverbesserungen (z. B. Bau von Gülleleitungen) eingesetzt. In der Nacht vom 30.6. zum 1.7.1942 flohen 18 dieser ukrainischen Zwangsarbeiter, wurden schließlich gefasst, von der Gestapo einvernommen und anschließend in das Arbeitserziehungslager Reichenau bei Innsbruck eingeliefert. Nach ihrem Einsatz auf der Alpe wurden die zwölf verbliebenen Ostarbeiter als Arbeitskräfte verschiedenen Bauern zugeteilt. Untergebracht waren sie in einem älteren Bauernhaus.

 

Im Mai 1943 wurden auf Wunsch des Bürgermeisters die serbischen Kriegsgefangenen aus Fraxern abgezogen, und das Lager wurde nun mit „Ostarbeitern“ neu belegt, die von Navis (Tirol) nach Fraxern „umgesetzt“ wurden. Bewacht wurden diese Zwangsarbeiter von Gendarmen. Im Juni 1943 kamen zusätzlich sechs Ostarbeiterinnen aus der Ukraine, die als Landarbeiterinnen vom Durchgangslager Wörgl nach Fraxern „überstellt“ wurden. Diese wurden als Küchenhilfen in der Lagerbetreuung, im Landeinsatz bei großen Familien und auch in einer Ziegelei in Götzis eingesetzt. Einquartiert waren diese Frauen in der „Felsenburg“, einem kleinen Häuschen im Ortsteil Brand. Auf ihrer Kleidung mussten alle Ostarbeiterinnen und -arbeiter das Abzeichen „Ost“ tragen. Die jugendlichen Zwangsarbeiter aus der Ukraine bauten u. a. den Waldweg in Malärs unweit der heutigen Familienkapelle. Auch bei der Beseitigung der Schäden nach dem Bombenabwurf über Feldkirch kamen die Fraxner Ostarbeiter zum Einsatz, ebenso bei Schanzarbeiten gegen Kriegsende in Weiler.

 

Das Gefangenen- später Ostarbeiterlager Fraxern mutierte gegen Kriegsende zum Flüchtlingslager, „Aufnahmelager“, „Lager für fremdvölkische Flüchtlinge“. In diesem Flüchtlingslager in Fraxern fanden 145 Menschen vor allem aus aus Ost- und Nordosteuropa vorübergehend Unterkunft und Verpflegung.

 

Die Betriebe der Aufbaugenossenschaft (Kriegsgefangenenlager, Ostarbeiterlager, Schlepperdienst, Mustergarten, Drahtseilbahn Sandgrube und Seilbahn Weiler-Fraxern) hatten schwarze Zahlen erwirtschaftet und konnten nach Kriegsende – wie die Aufbaugenossenschaft selbst – aus eignen Mitteln ihren Verpflichtungen nachkommen und ihre Auflösung ohne fremde Hilfe durchführen. Insgesamt stand für die Aufbaumaßnahmen in Fraxern ein Budget von ca. 5 Millionen RM zur Verfügung.